Was ist, wenn das Parlament nicht mehr zusammenkommen kann?
Damit der Nationalrat einen Beschluss fassen kann, muss grundsätzlich ein Drittel seiner Mitglieder anwesend sein. Das sind 61 Abgeordnete. Für die Bundesverfassung ist es egal, welchen Klubs diese Abgeordneten angehören. Aber wenn es nicht möglich ist, dass alle Abgeordneten kommen können, können sich die Parteien auf eine faire Vorgangsweise einigen, und die Sitzungen so beschicken, dass die Regierungsparteien eine Mehrheit haben.
Die Bundesverfassung schreibt vor, dass der Nationalrat seinen Sitz in Wien hat und sich dort versammelt. Das muss aber nicht das Parlamentsgebäude sein (auch jetzt tagt der Nationalrat schon wegen des Umbaus in der Hofburg). Der Bundespräsident kann den Nationalrat aber in außergewöhnlichen Situationen an jeden anderen Ort in Österreich verlegen. Der Bundesrat geht dann mit.
Aber die Bundesverfassung enthält auch Regeln für den Fall, dass der Nationalrat gar nicht zusammenkommen kann. Wenn es dann notwendig ist, Gesetze zu ändern oder neu zu erlassen, kann der Bundespräsident Notverordnungen anstelle eines Gesetzes erlassen. Das ist in Artikel 18 Bundes-Verfassungsgesetz geregelt. Er darf das aber nur tun, wenn es dazu einen Vorschlag der Bundesregierung gibt, und wenn dieser Vorschlag mit dem „Ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses“ abgestimmt ist. Alleine kann der Bundespräsident also nichts machen.
Der „Ständige Unterausschuss des Hauptausschusses“ ist ein Gremium des Nationalrates, das genau für solche Situationen besteht. Er hat 13 Mitglieder und ebensoviele Ersatzmitglieder und wird traditionell vom Präsidenten des Nationalrates geleitet. Es ist also ein kleines Gremium, und damit soll sichergestellt werden, dass es schnell zusammenkommen kann.
Die Bundesverfassung bestimmt ganz genau, was mit so einer Notverordnung geregelt werden darf, und was nicht: Es darf keine Änderung der Bundesverfassung geben, es dürfen keine neuen Steuern geschaffen werden, und es darf auch nicht das Streikrecht oder der Mieterschutz beschränkt werden.
Wenn der Bundespräsident eine solche Verordnung erlassen hat, muss der (ganze) Nationalrat so schnell wie möglich Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Eine genaue Frist ist aber nicht festgelegt (geht auch schwer …). Der Nationalrat kann die Verordnung bestätigen, dann gilt sie als Gesetz weiter, oder ablehnen.