Wen wählen wir bei der Nationalratswahl?
Eigentlich eine ganz einfache Frage, oder? Am Wahltag wird der Nationalrat gewählt. Um ganz korrekt zu sein: Es werden die 183 Mitglieder des Nationalrates gewählt. Aber warum stehen dann am Wahlzettel groß die Namen der Parteien? Und warum stehen dort nur Namen von Kandidatinnen und Kandidaten, von denen viele noch nie etwas gehört haben?
Außerdem: Wenn der Nationalrat gewählt wird, warum wird dann im Wahlkampf immer vom Bundeskanzler oder der Bundesregierung geredet? Und wird nicht dann, wenn das Ergebnis feststeht, auch gesagt, dass sich „der Wähler“ (warum eigentlich nur einer?) für eine bestimmte Regierung und eine Koalition entschieden hätte?
Ganz so einfach scheint es also doch nicht zu sein. Und es ist dann gar nicht verwunderlich, wenn viele Menschen durch komplizierte Begriffe, Namen, Wahlplakate und Medienberichte verwirrt sind. Daher der Reihe nach:
Demokratie ist Herrschaft auf begrenzte Zeit. Nach einer in der Verfassung festgelegten Dauer müssen die Abgeordneten eines Parlaments neu gewählt werden. Sie können nicht einfach so bleiben. Die Wählerinnen und Wähler sollen die Möglichkeit haben, Parteien und Abgeordnete wieder zu wählen, oder sich für andere zu entscheiden. Regelmäßige Wahlen sollen die Möglichkeit schaffen, dass sich in der Politik etwas verändert, dass neue Ideen und Personen eine Chance erhalten.
In Österreich wird der Nationalrat grundsätzlich alle fünf Jahre neu gewählt. In Ausnahmefällen – und heuer ist so ein Fall – kann das auch schon früher passieren (siehe dazu unseren Post vom 20. Mai). Den Nationalrat können wir uns als den zentralen Ort der Demokratie in Österreich vorstellen. Hier bringen die Abgeordneten der unterschiedlichen Parteien ihre Meinungen zum Ausdruck, hier muss die Regierung Rede und Antwort stehen, hier werden Gesetze beschlossen (mehr dazu in unseren Basistexten über Rechtsstaat und Staatsaufbau.
Die Mitglieder des Nationalrates werden aber nicht als Person gewählt. In Österreich können nur Parteien bei den Wahlen antreten. Daher steht auch ihr Name groß am Stimmzettel. Für die Wahl müssen die Parteien aber Listen von Kandidatinnen und Kandidaten vorlegen. Nur wer auf der Liste steht, hat die Chance, Mitglied des Nationalrates zu werden.
Bundeskanzler (bzw. Bundeskanzlerin) und die Mitglieder der Bundesregierung werden nicht gewählt. Sie werden vom Bundespräsidenten ernannt. Weil das im Normalfall nach Neuwahlen erfolgt, und weil viele Parteien das Ziel haben, in der Regierung vertreten zu sein, wird im Wahlkampf oft mehr von der Regierung als vom Parlament gesprochen. Dazu kommt, dass es für Parteien und die Wählerinnen und Wähler oft einfacher erscheint, sich auf eine (oder nur wenige) Person(en) zu konzentrieren, während 183 Abgeordnete doch eine ziemlich große Gruppe sind.