Welche Aufgaben hat der Verfassungsgerichtshof?
Als „Hüter der Verfassung“ ist es die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), wenn ein Fall vor ihn gebracht wird, zu prüfen, ob die Vorgangsweise in diesem Fall der Verfassung entspricht. Er wird niemals „ohne Auftrag“ tätig. Damit der VfGH seine Aufgaben wahrnimmt, bedarf es zunächst eines Antrages.
Dieser Antrag kann von unterschiedlichen Personen oder Organen kommen. Um den VfGH anrufen zu können benötigt man eine sogenannte „Antragslegitimation“. Die ist für die unterschiedlichen Personen und Organe unterschiedlich in der Bundesverfassung geregelt.
Jede/r einzelne Bürger/in kann den VfGH anrufen, wenn sie/er persönlich von einer Maßnahme betroffen (man sagt „beschwert“) ist. Allerdings ist zu beachten, dass der VfGH für Bürgerinnen und Bürger niemals die erste Instanz sein kann. Es muss schon vorher einen anderen Rechtsakt gegeben haben, etwa einen Bescheid oder ein Urteil.
Eine der wichtigsten Aufgaben des VfGH ist die Kontrolle von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit und von Verordnungen auf ihre Gesetzmäßigkeit. Ein einfaches Gesetz darf nicht im Widerspruch zur Verfassung stehen. Verordnungen dürfen nur erlassen werden, wenn es ein Gesetz gibt, dass ihre Erlassung (relativ genau) regelt.
Die „Normenkontrolle“, wie das mit einem Fachbegriff heißt, gehört zu den bedeutendsten Aufgaben des VfGH. Mit seiner Entscheidung kann er vom Nationalrat beschlossene Gesetze aufheben. Man nennt ihn daher auch „negativer Gesetzgeber“.
Eine weitere Aufgabe des VfGH ist die Überprüfung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte wegen der Verletzung von Grundrechten, wenn Beteiligte am Verfahren dagegen Beschwerde erhebt.
Im Jahr 2015 wurde der sogenannte Parteiantrag auf Normenkontrolle eingeführt, der es einer Partei (im Gerichtsverfahren – nicht einer politischen Partei!) in einem ordentlichen Gerichtsverfahren ermöglicht, das Erkenntnis des Gerichtes zu überprüfen, falls eine angewendete Norm verfassungswidrig ist.
Der VfGH ist auch noch Spezialgericht: Er entscheidet z. B. über die Anfechtung von Wahlen zum Nationalrat, zu Landtagen und Gemeinderäten oder die Bundespräsidentenwahl. Weiters entscheidet er über Anfechtungen von Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksabstimmungen und Europäischen Bürgerinitiativen, falls ihre Durchführung nicht mit den Wahlordnungen in Einklang stand.
Bevor ein Gesetz erlassen wird, muss sichergestellt sein, dass dies durch das dafür zuständige Organ erfolgt. Dafür sieht die Bundesverfassung sogenannte Kompetenzen vor. Es gilt, dass der Bund einen begrenzten Katalog an Kompetenzen zugewiesen hat und der Rest im Sinne einer allgemeinen Kompetenz den Ländern zusteht. Dies ist einerseits die Erfüllung des Föderalismus in Österreich, führt allerdings durch die weitläufigen, teils historischen Formulierungen in der Verfassung zu Kompetenzkonflikten, die der VfGH, nach Anrufung, ebenfalls löst.