Unabhängige Gerichte und starke Richterinnen und Richter
Hinter der Gewaltenteilung steht die Idee, die Macht im Staat aufzuteilen, um Machtmissbrauch vorzubeugen und Freiheit zu sichern. Dabei kommt den Gerichten (der Judikative) eine zentrale Rolle zu.
Um diese zu verstehen, ist es wichtig, die Aufgaben von Gesetzgebung und Rechtsprechung zu unterscheiden. Parlamente (also Nationalrat und Bundesrat auf Bundesebene sowie die Landtage in den Ländern) beschließen Gesetze, die allgemein gelten sollen. Im parlamentarischen Verfahren sollen daher möglichst viele Meinungen und Ansichten zu Wort kommen. Vor Gericht sollen die Gesetze in ganz konkreten Fällen angewendet werden. Es geht um einzelne Menschen. Hier soll sich jede/r darauf verlassen können, dass genau auf den Fall geschaut und unabhängig entschieden wird.
Parlamente schaffen die Grundlage, auf der Gerichte überhaupt entscheiden können. Sie haben das erste Wort. Sobald Gesetze mit Beschluss fixiert wurden, können sich die Parlamente nicht mehr in die Debatte einmischen. Auch das ist ein ganz zentraler Aspekt von Gewaltenteilung! Jetzt liegt nämlich ein Text vor, der von Behörden oder Gerichten selbständig angewendet wird. Sie entscheiden nur auf seiner Grundlage (und können nicht im Parlament nachfragen, wie „es denn gemeint war“). Auch wenn eine Richterin oder ein Richter bezweifelt, dass ein Gesetz sinnvoll ist, muss sie oder er es dennoch anwenden.
Ein Sprichwort sagt zwar: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Dennoch dürfen Richterinnen und Richter also nur auf Grundlage der Gesetze entscheiden. Wichtig ist, dass sie in der Entscheidungsfindung selbst unabhängig sind. Unsere Bundesverfassung enthält hierfür eine ausdrückliche Garantie: „Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.“ (Art 87 Abs 1 B-VG)
Richterinnen und Richter legen sehr viel Wert auf diese Unabhängigkeit, und es ist in Österreich nicht üblich, dass sie sich in politischen Parteien betätigen. Eine Person, die – überspitzt gesagt – vormittags als Abgeordnete oder Abgeordneter Gesetze im Nationalrat beschließt und nachmittags als Richterin oder Richter auf Basis dieser Gesetze entscheidet, wäre in einer starken Machtposition.
Das ist für die Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes sowie die Mitglieder der Verwaltungsgerichte auch ausdrücklich in der Bundesverfassung geregelt. Man spricht von Unvereinbarkeit oder Inkompatibilität. Wenn Richterinnen und Richter anderer Gerichte Abgeordnete eines Parlaments werden sollten, müssten sie den Präsidenten des Parlaments über ihre Richtertätigkeit informieren. Ein eigener Ausschuss prüft dann, ob die beiden Positionen im Einzelfall miteinander vereinbar sind. Sieht dieser Unvereinbarkeitsausschuss eine „objektive und unbeeinflußte Amtsführung“ (was aber noch nie passiert ist) als gewährleistet, kann die Richterin oder der Richter gleichzeitig Abgeordnete oder Abgeordneter sein. Geregelt ist dies im Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz.